Stress - Symptom Fluoreszenz
Verfasst: Freitag 3. Februar 2017, 09:07
Hallo Jörg,
sehr interessante Aspekte, die Du in Zusammenhang mit Strahlungsstress bei Korallen beschreibst.
Für die anderen Forenmitglieder: Es ging initial um die Frage, ob eine ecotech radion Lampe mit dem Beleuchtungsprogram SPS AB+ von ecotech sinnhaft/vorteilhaft ist.
Gibt es weiterführende Literatur zu dem Thema "Fluoreszenz als Stresssymptom"
sehr interessante Aspekte, die Du in Zusammenhang mit Strahlungsstress bei Korallen beschreibst.
Für die anderen Forenmitglieder: Es ging initial um die Frage, ob eine ecotech radion Lampe mit dem Beleuchtungsprogram SPS AB+ von ecotech sinnhaft/vorteilhaft ist.
Gibt es weiterführende Literatur zu dem Thema "Fluoreszenz als Stresssymptom"
Jörg Kokott hat geschrieben:Genau das sind Einstellungen, die so strahlungsintensiv sind, dass viele Becken Nährstoffmangel und die Korallen Strahlungsstress bekommen, was dann zu Cyanos und zu ausgestoßenen Zooxanthellen (Dinoflagellaten) führen kann. Das muss nicht in jedem Becken sein, aber ich bekomme eben sehr viele Becken, die genau mit solchen Einstellungen im Gesamtsystem Probleme bekommen. Dass man damit SPS extrem stark zur Chromoproteinbildung anregt, ist eben der Punkt, der viele Leute dazu animiert, die Lampe so einzustellen. Aber die Hersteller diskutieren überhaupt nicht, was solche Einstellungen für das Gesamtaquariensystem bewirken können. LED Lampen werden scheinbar nur danach bewertet, wie gut sie Korallen zum Leuchten bringen. Deshalb ist fast jedes Riffaquarium auf irgend welchen Messen und Ausstellungen total blaulastig eingestellt, Hauptsache alles leuchtet bunt. Das hat aber nichts mit langfristig gesunder Korallenpflege zu tun.
Bei der Einstellung würde ich als Hersteller drauf schreiben "kann potentiell Strahlungsstress und Nährstoffmangel erzeugen". Ein gesundes Becken mit einem ausgeglichenen Nährstoffhaushalt, einer optimalen Meerwasserzusammensetzung (v.a. auch bei Spurenelementen wie Iod und den Hauptkomponenten Bor und Kalium) und guter Beströmung kann das möglicherweise aushalten. Aber sobald auch nur Kalium, Bor oder v.a. iod nicht passen, reagieren die Becken extrem schnell negativ und das finde ich immer sehr problematisch, wenn die LED Hersteller darüber keine Informationen zur Verfügung stellen. Für eine gesunde Farbausbildung und Photosyntheseleistung braucht eine Koralle kein violettes Licht. Das erzeugt nur Fluoreszenzstrahlung und Fluoreszenz ist ein Stress-Symptom! Die Koralle will das Licht nicht und versucht es über die Chromoproteine wieder an die Umgebung zurück zu werfen. Sieht schön aus, aber man sollte sich darüber klar sein, dass Fluoreszenz in der Photobiologie i.d.R. nichts positives bedeutet, sondern anzeigt, dass die Strahlungsintensität zu hoch ist. Das wird leider in der Riffaquaristik überhaupt nicht thematisiert (weil dazu auch leider viel zu wenige Leute entsprechend ausgebildet sind).....
Ich sage nicht, dass es grundsätzlich nicht geht, aber sobald Du Probleme bekommst mit Strahlungsstress-Symptomen, solltest Du den violetten und tief blauen Bereich runterfahren. Solche Symptome sind anfänglich langsames Wachstum (weil insgesamt viel Energie in die Strahlungsstressbewältigung investiert werden muss), ggf. langsamer Gewebeverlust von unten (weil die Korallen ihre zur Verfügung stehende Stoffwechselenergie in den apikalen Bereich reinschieben müssen und deshalb der untere Bereich zu wenig Energie und auch zu wenig Nährstoffe bekommt), und v.a. in kritischen Fällen Gewebeverlust von oben, wenn sich die Korallen gar nicht mehr wehren können. Spätestens dann bekommt man i.d.R. auch Dinoflagellaten (wegen oxidativem Stress ausgestoßene Zooxanthellen), Goldalgen und/oder Cynoabakterien sind ebenfalls typisch und der Nährstoffgehalt rauscht oft ab nach unten (v.a. Phosphatmangel). Sehr kritisch ist so eine Beleuchtung auch bei Iodmangel und akutem Kalium- und Bormangel. Auch reagieren SPS bei erhöhten Lithium- oder Antimonwerten sehr empfindlich, wenn die Strahlung sehr stressig ist. Das äußert sich aber mehr in spontanem fetzigen Gewebeverlust von jetzt auf gleich. Gibt also wie man sieht viele Symptome, und diese sind letztlich entweder primär durch die Beleuchtung verursacht, oder die Beleuchtung ist ein sekundärer Faktor, wenn die primäre Ursache ein Iod-, Kalium- oder Bormangel, eine Schadstoffeinwirkung/Toxizität, oder ein akuter Nährstoffmangel ist.....
Problematisch ist auch eine hohe Beleuchtungsintensität bei Strömungsmangel, die Korallen sind dann tagsüber hyperoxisch und bekommen den Sauerstoff nicht los, nachts sind sie hypoxisch und haben Sauerstoffmangel und bekommen das CO2 (Säureeinwirkung im direkten Umgebungswasser) und v.a. auch die Stoffwechselwärme im Inneren der Korallenkolonie nicht los (bei SPS mit starrem Kalkskelett). Solche Korallen sind auch sehr gestresst und die werfen dann auch gerne mal Gewebe von oben ab, wenn tagsüber die Sonne brutzelt....
Für die meisten Lampen empfehle ich, royal blau bei 440-450 nm ca. 20% niedriger zu fahren als den langwelligeren blauen Kanal bei 460-470 nm. weiß kann man ca. bei blau ansiedeln, wenn es zu hell ist, lieber weiß etwas zurück nehmen als blau weiter hochdrehen. Der Fehler wird oft gemacht. UV ist je nach Lampe immer etwas unterschiedlich, sowohl was die genaue Benennung von "UV" angeht, also auch die Anzahl der verbauten LEDs und deren Bestromung. Echtes UVA (bis 395 nm) ist auch eher selten, meistens sind es 400-420 nm. Hier bin ich wie gesagt immer etwas vorsichtiger.
Was genau meinst Du mit "ich muss da über die Bücher"? In welchem Buch willst Du denn nach fachlich korrekten und tiefer gehenden Informationen und v.a. nach den richtigen Schlussfolgerungen für die aquaristische Praxis suchen? Kein Buchautor in unserer Branche hat z.B. überhaupt mal das Thema "Fluoreszenz als Stress-Symptom" diskutiert. Ist ein schwieriges Thema....
UV Strahlung ist zu aggressiv und erzeugt in den Zooxanthellen oxidativen Stress und das kann zum Ausschleusen von Zooxanthellen (Dinoflagellaten) führen. Wobei das in der Lampe keine echte UV-Strahlung ist, die LEDs die bei 400 nm - 410 nm emittieren werden oft als UV bezeichnet, ist aber schon sichtbares Licht. Dennoch, der Energiegehalt nimmt mit zunehmender Wellenlänge ab, d.h. kurzwelliges Licht (violett und blau) ist energiereicher als z.B. langwelliges grünes oder rotes Licht. Je kurzwelliger also das Spektrum ist, desto energiereicher ist es und mit dieser Energie müssen die Korallen umgehen können. UV bzw. auch violett ist photosynthetisch nicht nutzbar, außer eben durch eine Fluoreszenz-Umwandlung, aber das kennt man nur von Tiefwasserkorallen. Ansonsten geht durch Strahlungsstress ein gewisser Anteil an Stoffwechselenergie und Nährstoffen in die Strahlungsstressabwehr und das dann meist auf Kosten des Wachstums. Es gibt wie gesagt Becken, die v.a. in Problemsituationen sehr schlecht auf hohe Strahlungsbelastungen reagieren, in anderen Becken fällt es hingegen auch manchmal nicht so auf...
Grün > 500 nm ist für Korallen photosynthetisch eher irrelevant und wird v.a. von Rot- und Braunalgen und Cyanobakterien genutzt, die verstärkt auch Phycobiline bilden. Wenn, dann macht Cyan bei 495 nm Sinn, das ist so die Grenze zwischen Blau und Grün und hier absorbieren noch die Chlorophyll-Peridinin-Proteinkomplexe von den Zooxanthellen, was auch von einigen (guten) Herstellern so berücksichtigt wird. Warum Hersteller das machen? Keine Ahnung, weil es die LEDs gibt und sie vermutlich argumentieren, dass die Kunden das so wollen, genau wie einige Salzhersteller argumentieren, sie können ihr Salz besser verkaufen, wenn da 1600 mg/L Mg drin sind....
Und "UV" wird immer gerne von Kunden gewünscht, weil sie denken, dass sie damit die Chromoproteinbildung anregen können und die Korallen mehr fluoreszieren. Wie schon im Beitrag oben erwähnt, wird hier nicht verstanden, dass Fluoreszenz in der Photobiologie ein Stress-Symptom ist.